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Das Weihnachtsdorf

Das Weihnachtsdorf

Gelesen am 16. Dezember 2016 im Hagener Bierstein in Ahrensburg

 

Bevor wir uns hier am Hagen angesiedelt haben, lebten wir in einem beschaulichen Dorf in Schleswig-Holstein, dessen Namen sie vielleicht erraten werden, wenn ich Ihnen mehr von diesem erzählt habe.

Obwohl wir uns dort sehr wohlgefühlt haben, sind wir weggezogen. Uns fehlten gewisse Annehmlichkeiten, die wir hofften, in der Stadt Ahrensburg zu finden. Außerdem gefiel uns die Nähe zu Hamburg und dem Naturschutzgebiet.

Nicht verschweigen will ich, dass uns auch der ländliche Charme des Hagen mit seiner Vergangenheit ansprach. Vor mehr als 13 Tausend Jahren haben hier schon Menschen gelebt.

Die heutige Siedlung Am Hagen ist natürlich deutlich jünger. Der Braune Hirsch und der Bahnübergang sind, wie die ersten richtigen Häuser, erst viel später entstanden. Ob die Hagener die damaligen Rentierjäger als ihre Vorfahren betrachten, bleibt ihnen selbst überlassen.

Heute will ich aber nicht die Geschichte vom Hagen erzählen, die sie möglicherweise alle besser kennen, sondern von unserem Dorf, dem wir uns noch immer sehr verbunden fühlen.

Unser Dorf war nicht so alt, aber dennoch ein ganz besonderer Ort. Es war nicht groß, es gab größere Gemeinden. Es war auch nicht klein, es gab kleinere Orte in unserem Kreis.

Unser Dorf war – das kann ich mit Überzeugung sagen – das schönste im ganzen Land – und es besaß einen besonderen Ruf – man nannte es das Weihnachtsdorf.

Zugegeben, unser Dorf hatte kein Schloss und auch kein Einkaufszentrum. Unser Rathaus war im Vergleich zu den städtischen Verwaltungsburgen im Land klein und auch nicht denkmalsgeschützt. Wir hatten auch keinen richtigen Marktplatz, sodass wir uns über dessen Ausgestaltung nicht den Kopf zerbrechen mussten.

Die Dorfmitte war ein freier Platz, auf dem man sich traf, verweilte und sich über den neuesten Klatsch und Tratsch informierte, sofern man nichts Wichtigeres zu tun hatte.

Natürlich gab es auch eine richtige Schule mit einer Turnhalle, eine aktive Kirchengemeinde mit einem sehr gemischten Chor und eine freiwillige Feuerwehr, die für das alljährliche Osterfeuer zuständig war.

Regiert wurde unsere Dorfgemeinschaft offiziell von einem Gemeinderat, in Wirklichkeit aber von unserem tüchtigen Bürgermeister.

Und darin, so meine ich, unterschieden wir uns von vielen anderen Gemeinden und Städten unseres Kreises. Unser Bürgermeister stammte selbst aus dem Dorf und war noch ein richtiges Mannsbild, mit vielen Talenten und mit allen Wassern gewaschen. Er wusste, was für seine Bürger gut und wichtig war und was sie partout nicht mochten.

Dass er etwas eitel war und sich gern in der Zeitung abgebildet sah, konnte man ihm nicht ankreiden, da seine Kollegen anderswo es ähnlich hielten.

Die Sitzungen des Gemeinderates dauerten meist nicht lange und endeten immer in der Dorfschänke, wo die wirklichen Themen besprochen und die nächsten Feierlichkeiten vorbereitet wurden.

Unser Dorf war dafür bekannt, dass es gern und ausgiebig feierte. Jeder Anlass war willkommen und wurde in großer Runde begangen. Ob Fasching oder Tanz in den Mai – beide Ereignisse hatten häufig Folgen, die meist nach neun Monaten sichtbar wurden. Das Erntedankfest war eine totale Lustbarkeit. Unser Dorf hatte damals die beste Kinderquote im ganzen Land.

Absoluter Höhepunkt war die Weihnachtszeit, die wir wie eine eigene Jahreszeit begingen.  Die Feierlichkeiten begannen weit vor dem Ersten Advent. Die Dorfbewohner putzten ihre Häuser und Straßen heraus. Weihnachtsgirlanden, Lichterketten und Tannenbäume, schmückten die Gärten und Geschäfte, die sich auf das totale Weihnachtsgeschäft eingestellt hatten.

Und sobald auf dem Dorfplatz der Weihnachtsbaum in seiner ganzen Pracht strahlte, war der Weihnachtsmarkt offiziell eröffnet. Es war Tradition, dass dem Bürgermeister als Weihnachtsmann verkleidet, das erste Glas Glühwein zustand. Natürlich blieb es nicht sein Einziges.

Selbst aus den umliegenden Gemeinden, der fernen Kreisstadt und sogar aus unserer Landeshauptstadt, kamen die Gäste. Im Laufe der Jahre hatte es sich herumgesprochen, dass nur in unserem Dorf richtig Weihnachten gefeiert wird und dass unser Glühwein nach dem fünften oder sechsten Becher ganz besonders schmecken würde.

Nur der Pastor und unser Dorfpolizist mussten sich beim Glühwein zurückhalten, was ihnen schwerfiel. Sie achteten darauf, dass es trotz der ausgelassenen Stimmung gesittet zuging.

Man kann sagen, unser Weihnachtsmarkt wurde im Laufe der Jahre zu einer festen Einrichtung in unserer Gegend und daran hätte sich auch nichts geändert, wenn nicht eines Tages unser umtriebiger Bürgermeister die Dorfgemeinschaft mit einer ungewöhnlichen Idee überrascht hätte.

Er war nämlich der Meinung, dass wir uns nicht mit dem üblichen Weihnachtsmarkt begnügen sollten, da inzwischen überall in den Dörfern und Städten die Glühweinbuden wie Pilze aus dem Boden schossen.  Er wollte dem Fest einen neuen, kulturellen Höhepunkt geben.

Dieser Anregung wurde nicht widersprochen, zumal sie vom Bürgermeister höchst persönlich stammte und auch Dörfler nichts gegen Kultur haben sollten.

Erst als er mitteilte, dass er für das bevorstehende Fest ein richtiges Weihnachtsstück schreiben werde, wurden wir nachdenklich.

Manche sorgten sich um das Ansehen der Gemeinde, andere fürchteten, dass der Bürgermeister größenwahnsinnig werden könnte. Wir kannten seine Begabungen und schätzten ihn im Großen und Ganzen als tüchtigen Bürgermeister, wir konnten uns aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass er auch über schriftstellerische Fähigkeiten verfügt.

Ein Drehbuch für eine Weihnachtsgeschichte zu schreiben ist schon etwas Besonderes.

Der Bürgermeister ließ aber erst gar keine Zweifel aufkommen und versicherte, dass man sich keine Sorgen machen müsse. Was andere können, kann er als Bürgermeister schon lange.

Er würde ein Stück schreiben, von dem selbst die Kulturredakteure der Zeitungen beeindruckt sein würden.

Damit gab man sich im Dorf zufrieden. Einige von uns rechneten damit, dass er schon bald das Handtuch werfen würde und sich damit die Sache erledigt hätte.

Die hatten sich allerdings verschätzt. Unser Bürgermeister dachte nicht daran, das Handtuch zu werfen und klein beizugeben. Das passte nicht zu ihm. Auch als die Zeitungen über den „Dorfpoeten“ und „Bauerndichter“ berichteten, ließ er sich nicht beirren. Er war fest entschlossen, aus der biblischen Weihnachtsgeschichte ein richtiges Theaterstück  und unser Dorf damit berühmt zu machen.

Ab sofort sah man ihn immer seltener in der Öffentlichkeit oder im Amt. In der Dorfschänke blieb der für ihn reservierte Platz oft leer. Und wenn er mal aufkreuzte, weil er sich inspirieren lassen wollte, wirkte er nachdenklich und geistesabwesend.

Der Wirt gab dann den anderen Gästen zu verstehen, sich angemessen zu verhalten, damit sich der Bürgermeister auf das Dichten konzentrieren könne.

Seine Frau litt unter den anspruchsvollen Ambitionen ihres Mannes, zumal sie ihn nur noch selten sah.

Eines Tages sprach sie ihn darauf an, weshalb er sich nachmittags so häufig in der Schulbibliothek aufhalte. Umständlich erklärte er, sich mit der jungen Lehrerin beraten zu müssen, die schließlich, so stellte er es sich vor, die Rolle der Heiligen Maria spielen sollte. Dass die Lehrerin in Wirklichkeit ihm beim Dichten half, wollte er nicht zugeben.

Seine Frau fand das gar nicht gut. Die junge Lehrerin war eine auffallende Erscheinung, die sich auch nicht genierte, ihre naturgegebenen Reize zur Geltung zu bringen. Dass gerade sie die schlichte Maria spielen sollte, konnte sie sich nicht vorstellen. Sie war wohl die einzige Person im Dorf, die die Vorweihnachtszeit nicht so unbeschwert genießen konnte.

Als unser Bürgermeister meinte, sein Stück fertig zu haben, rief er den Kulturkreis der Gemeinde zusammen, um ihn über seine Weihnachtsgeschichte zu informieren und um die Rollenverteilung zu besprechen.

Die Mitglieder des Kulturkreises, die anfänglich große Bedenken hatten, waren angenehm überrascht, was er ihnen vortrug und sparten nicht mit Komplimenten.

Sie erklärten sich ausnahmslos bereit, ihn zu unterstützen und waren auch willig, Rollen zu übernehmen.

Dass der Hauptmann der Dorffeuerwehr den Josef spielen sollte, fand allgemeine Zustimmung.

Bei der Lehrerin, die er für die schwangere Maria vorgesehen hatte, kamen einigen Frauen Bedenken, die der Bürgermeister kurzerhand beiseite wischte. Die anderen Rollen waren schnell besetzt. Und wer keine abbekam, durfte Schafhirte spielen. Am Ende gab es mehr Hirten als Schafe.

Unsicher war man sich, ob, wie in der biblischen Geschichte, ein echter Esel mitspielen sollte.

Über diese Frage wurde lang und breit diskutiert, zumal man im Dorf keinen echten Esel hatte.

Die einen meinten, dass der Esel nicht so wichtig wäre und man auf ihn verzichten könne. Andere meinten, dass gerade der Esel der Geschichte einen realistischen Bezug vermitteln würde.

Zu den Befürwortern zählten auch die beiden Ortsvorsitzenden der Parteien im Gemeinderat, die ebenfalls tragende Rollen übernommen hatten. Sie hielten den Esel für absolut wichtig und sicherten dem Bürgermeister zu, eine Rundfrage bei den Mitgliedern zu starten, wer ihnen einen echten Esel für das Weihnachtstheaterstück ausleihen könne.

Nachdem alles besprochen war, begannen die Proben im Saal der Gastwirtschaft. Anfänglich verliefen sie eher schwierig, weil einige Akteure sich mit ihrer Rolle schwertaten. Die einen vergaßen immer wieder ihre Texte, die anderen meinten, die kleinen, von ihnen vorgenommenen Korrekturen würden bereichernd wirken.

Der Bürgermeister akzeptierte die Textverbesserungen, ihn besorgte mehr

der junge Hauptmann der Feuerwehr, der wiederholt Amok lief. Er hatte sich leidenschaftlich in Maria, die junge Lehrerin verliebt. Dass sich ihr äußerer Zustand im Laufe der Proben sichtbar veränderte, fiel ihm zwar auf, er deutete es aber so, dass dies der Rolle als schwangere Maria geschuldet sei.

Auf den Esel mussten sie bei den Proben verzichten, da sein Halter ihn erst zur Generalprobe vorbeibringen wollte. Auf jeden Fall – so versicherte er – werde ein echter Esel mitwirken.

Und dann war es endlich so weit. Alles war für die Generalprobe vorbereitet. Die Kulissen waren gemalt, die Kostüme genäht und ein Stall aus Brettern und Baumstämmen errichtet worden, in welchem eine Krippe stand.

Anfangs lief alles recht gut, sieht man einmal davon ab, dass der Doktor vor Aufregung plötzlich erkrankte und der Pastor als Souffleur einspringen musste.

Zur allseitigen Freude der Beteiligten war der Esel pünktlich eingetroffen. Da er die schwangere Maria tragen sollte, musste Josef ihr beim Aufsitzen behilflich sein.

Offensichtlich hatte er dabei Maria etwas zu beherzt angefasst. Ein kurzer Schrei und ein „Pass doch auf“!, hatten den trägen Esel erschreckt. Er machte einen Sprung und seine Hinterbeine flogen in die Luft. Niemand hätte diesem Tier eine so temperamentvolle Äußerung zugetraut. Josef konnte seine Maria gerade noch auffangen.

Für einen kleinen Moment war es auf der Bühne mucksmäuschenstill. Selbst der Pastor in seinem Souffleurkasten reckte sprachlos seinen kahlen Kopf heraus.

Da trat, souverän wie immer, die Vorsitzende der Seniorengruppe vor, die zugleich die Hebamme in unserem Dorf war.

So, so“, sagte sie bedächtig, „unsere Maria spielt ihre Rolle ganz echt. Vielleicht wird es sogar ein richtiges Christkindl.

Beruhigend tätschelte sie Marias Hand.

Alle Augen waren auf Maria, die Lehrerin gerichtet, die schützend ihre Hände vor ihren Bauch hielt.

Auch der Bürgermeister hatte mittlerweile seine Sprache wiedergefunden.

Stimmt das?“, fragte er. Die Lehrerin nickte schwach und sah dabei den Feuerwehrhauptmann an. Der stand noch immer verdattert da. Ihm fehlten die Worte.

Wir sollten für heute Schluss machen“, schlug die Seniorenfrau vor. Sie wusste, dass sie bald als Hebamme gefordert sein würde.

„Immerhin müssen wir morgen alle fit sein und unsere werdende Mutter sollte sich schonen, damit sie noch einmal die Rolle spielen kann.“

Alle stimmten ihr zu.

Ich kann mich kurzfassen:

Die Aufführung am Heiligabend war ein voller Erfolg. Schon mittags waren alle Plätze im Saal und in der angrenzenden Gaststube besetzt. Alle Akteure waren hochmotiviert.

Nur der Esel bereitete Probleme. Er war einfach nicht so viele Zuschauer gewöhnt. Als sein Auftritt kam, bockte er, stellte sich quer und zeigte sich uneinsichtig. Josef versuchte noch immer mit guten Worten das Tier anzutreiben, doch der Esel blieb störrisch und schüttelte den Kopf hin und her, wie das Esel ebenso machen und glotzte die Zuschauer an.

Auch die Lockrufe des Pastors aus dem Souffleurkasten beeindruckten ihn nicht. Erst als Maria ihm den Hals tätschelte und etwas ins Ohr flüsterte, war er bereit sich zu bewegen.

Vorsichtig hob Josef Maria auf den Rücken des Esels. Dann zogen sie zwei volle Runden über die Bühne zum Stall nach Bethlehem. Die Zuschauer applaudierten kräftig und der Esel revanchierte sich mit einem kräftigen IA-IA.

Als die Aufführung seinem Ende zuging war es offensichtlich, dass es bei Maria bald soweit sein würde und alle Zeugen eines menschlichen Wunders werden.

Den stürmischen Schlussapplaus konnte Maria nicht mehr auf der Bühne miterleben. Die Hebamme hatte sie in das vorbereitete Nebenzimmer geführt und ihres Amtes gewaltet.

Nachdem der Applaus im Saal verklungen war, hörten die Zuschauer einen kräftigen Baby-Schrei, der sogar den Esel erschreckte.

Der Pastor, der inzwischen aus seinem Souffleur-Kasten gekrabbelt war, hatte das Bedürfnis, auch einen Beitrag zu leisten. Kraftvoll stimmte er das Lied „Ihr Kinderlein kommet“ an. Immer mehr Stimmen setzten ein und bald füllte die weihnächtliche Weise den ganzen Raum.

Sie können sich sicherlich vorstellen, was anschließend an diesem Heiligabend in unserem Dorf los war.

 

 

 

 

Nebel im Tunneltal

Nebel im Tunneltal

Das frühe Aufstehen lohnte sich!

Das Tunneltal lag an diesem Dezembermorgen unter einer Nebelschicht.

Mit meiner Kamera ist es mir gelungen, einige stimmungsvolle Aufnahmen zu machen.

 

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Hamburg in Euphorie

Der Hamburger Hafen im November

Hamburg schwelgt in Euphorie. Die Elbphilharmonie versetzt alle in Begeisterung. Auch ich wollte mich mal wieder diesem Prachtbau, auf den wir alle stolz sind, nähern.

Das Wetter war zwar nicht einladend, dennoch strömten Hamburger und Fremde aus aller Welt zur Elbphilharmonie.

Zu gern hätte ich von der Plaza der Elbphilharmonie Bilder gemacht, die Warteschlange war zu lang. Ich werde es in den nächsten Tagen nochmals versuchen.

Dennnoch war ich tief beeindruckt, als ich den Hafen verließ.

 

Der Hamburger Hafen im November

Der Hamburger Hafen im November

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Hamburg stimmt sich mit seinen zahlreichen Weihnachtsmärkten auf die weihnachtliche Zeit ein.

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Kalender 2017

Liebe Pfortenserinnen und Pfortenser, liebe Kalenderfreunde,

2017 erscheint zum 9. Mal mein Pforta-Kalender.

Da die Nachfrage nach ihm größer war und ich einige Interessenten enttäuschen musste, werde ich in der Kategorie „Kalender“ jeden Monat das aktuelle Bild mit Text veröffentllichen.

 

Dreizehn Fotomotive habe ich ausgewählt, die den Charme und das Besondere unserer Schule repräsentieren.

Dreizehn historische und literarische Texte habe ich verfasst, die Sie durch das neue Jahr begleiten werden. Lassen Sie sich überraschen!

Pforta 2017 ist im Format 29,7 x 42 cm auf hochwertigem Kalenderpapier gedruckt. Die Monatsblätter sind 4/4-farbig, die Rückseiten mit den Texten in schwarz-weiß.
Jedes Exemplar ist handsigniert und von mir in Klarsichtfolie eingeschlagen.

Der Kalender „Pforta 2017“ ist vergriffen.

Es gibt bereits eine Vorbestellliste für den Kalender „Pforta 2018“.

 

KROATIEN – Reisebericht

Reisen mit dem UNION Reiseteam aus Ahrensburg beginnen nicht selten mit Überraschungen. G. S. als Reisebegleiter war eine angenehme Überraschung, die Abfahrtzeit mitten in der Nacht war dagegen eine echte Herausforderung:3.15 Uhr an einem Sonntag-morgen ist absolut unchristlich. Proteste nutzten nichts, sie blieben ungehört. 
Die Stammkunden der Reise-Union – und das war der Großteil – kannten bereits die Auftaktzeremonie: Die einen saßen bereits im Bus zum Airport, wir Ahrensburger wurden zugeladen. Der Rest der Gruppe wurde in der Umgebung eingesammelt.
Der Reisebegleiter zeigte sich auf dem Hamburger Flughafen sichtlich beglückt, als er die 34 Männer und Frauen um sich versammelt hatte.

Der Flug selbst verlief, Gott sei Dank, unspektakulär solange wir über den Wolken waren. Als wir uns dem Flugziel Dubrovnik näherten, kam die nächste Überraschung: Wir konnten nicht landen, weil über Dalmatien ein extremes Unwetter tobte.
Der Pilot gab sich souverän und versicherte, dass er reichlich Kerosin getankt habe und kein Grund zur Besorgnis bestände.
So drehte unser Flieger Schleife um Schleife über den Wolken, während wir geduldig und angeschnallt auf besseres Wetter unter den Wolken hofften.
Ich kann’s abkürzen – wir landeten irgendwann dann doch noch glücklich in einem überschwemmten Land. So Mancher fragte sich, ob das Unwetter, das selbst die Einheimischen erschreckt hatte, ein Omen sei.

Das Hotel Croatia, an einem Berghang in Cavtat gelegen und in sozialistischer Vorzeit errichtet, beeindruckte durch seine protzige Großflächigkeit. Man konnte sich in dem unübersichtlichen Bau tatsächlich verlaufen. Der Service und das Essen stimmten, man war sehr bemüht, den fünf Sternen gerecht zu werden.

Eigentlich hätten wir mit dem Anreisetag durchaus zufrieden sein können, wenn wir nach dem Abendessen nicht das Ergebnis der Ahrensburger Bürgermeisterwahl erfahren und danach auch noch das Fußballspiel der deutschen Mannschaft in Leipzig hätten ertragen müssen.
Was soll’s – sagten wir uns und hofften, dass uns weitere Überraschungen auf der Reise erspart bleiben.

Das Besichtigungsprogramm hatte Terramundi gut organisiert. Die Ausflüge konzentrierten sich auf den Süden Kroatiens und auf die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in den benachbarten Balkanländern Montenegro und Bosnien Herzegowina.

Am Montag starteten wir bei sonnigem Wetter nach Dubrovnik, der „Perle Dalmatiens“. Obwohl die Saison offiziell gelaufen war, war die historische Altstadt voll von Besuchern aus allen Herren Ländern, vor allem aus dem fernen Asien. Wir waren gut beraten, uns an unsere Reiseführerin zu halten, deren Erklärungen durch die monotone Stimme und ihre grammatikalischen Besonderheiten eine gute Kombinationsgabe und Duldsamkeit erforderten. Ihr Regenschirm als Erkennungszeichen war nicht zu übersehen.
Auf eine Aufzählung der besuchten Stätten kann ich in diesem Rahmen wohl verzichten, sie werden allen Besuchern unvergesslich bleiben. Beeindruckend waren die beiden liebevoll gepflegten Klosteranlagen, die schmalen Seitengassen der Altstadt und die historische Festungsmauer.
Wer nach dem offiziellen Rundgang noch gut zu Fuß war und 500 Stufen nicht fürchtete, machte den Rundgang auf der Mauer, die mit 1,8 km das gesamte Areal der Altstadt umgibt.
Der Gang hatte sich gelohnt, die Aussicht auf das Meer und die verwinkelte Stadtanlage war beeindruckend. Ein paar Aufnahmen sind beim Umrunden der Altstadt entstanden.
Die Rückfahrt zu unserem Hotel in Cavtat auf einem kleinen Boot bildete einen schönen Tagesabschluss.

Nachdem wir Dubrovnik im Schnelldurchgang abgearbeitet hatten, fuhren wir am Dienstag entlang der kroatischen Küste zur  Halbinsel Peljesac, besichtigten dort die mehr als fünf Kilometer  lange Festungsmauer in der Stadt Ston, bevor wir von der Hafenstadt Orebic auf die Insel Korcula übersetzten.
Das kleine Bilderbuchstädtchen gleichen Namens hat uns gefallen. Seine Lage, sein mildes und sonniges Klima weckten schon vor  vielen Jahrhunderten Begehrlichkeiten bei Eroberern und Piraten.
Wir waren in guter Absicht gekommen, durchstreiften die engen Gassen und suchten nach den Spuren von Marco Polo, der auf der Insel geboren sein soll.
Vor dem historischen Festungsturm machten wir die obligatorischen Gruppenbilder, bevor wir auf einem altersschwachen Kahn die Rückfahrt antraten.

Da der Veranstalter meinte, wir würden Dalmatien nun einigermaßen kennen, besuchten wir am Mittwoch den benachbarten Ministaat Montenegro.
Auch wenn das kleine Land arm wirkt, ist seine Landschaft sehr reizvoll. Die Rundfahrt um die fjordartige Bucht, von steilen Berghängen gesäumt, faszinierte.
Eine Fähre brachte uns auf die von heimkehrenden Seefahrern künstlich errichtete Kircheninsel Gospa od Skrepjela.
Nur schade, dass sich gleichzeitig so viele Besucher auf der kleinen Insel tummelten. Die sehr qualifizierte Führung durch die reizvolle Kirche und das angrenzende Museum entschädigten uns für das lange Warten.

Mit der Rückfahrt von Montenegro endeten fürs Erste die Sonnentage. Regen war für die nächsten beiden Tage angesagt.  Wir, die wir trotzdem den Ort Mosta mit seiner berühmten Brücke besuchen wollten, ließen uns von der Wetterprognose nicht beeindrucken. Auch dass wir mehrere Male die Grenzen zwischen Bosnien Herzegowina und Kroation überqueren mussten, nahmen  wir hin. Den Pass hatten wir griffbereit! Dass das Wetter mit seinen sintflutartigen Niederschlägen den Tag prägte, muss hier erwähnt werden.
Mosta war schon als wir ankamen so gut wie überschwemmt. Der Fluss Neretva war breit und wild, der Wasserstand um das   Doppelte angewachsen. Entwurzelte Baumstämme, Baumaterial und Teile von einem ehemaligen Steg wirbelten unter der Brücke hindurch.
Während sich unsere Gruppe in ein Restaurant verzog, suchten meine Frau und ich einen Platz, um ein paar Aufnahmen von der Brücke machen zu können. Großartig, wie sie den Regenschirm schützend über uns und meine Kamera hielt.
Nicht ganz zufrieden mit meiner fotografischen Ausbeute, traten   wir, nach einer Pause im Trockenen, noch immer durchnässt zusammen mit den Anderen den Rückzug durch die Wassermassen zu unserem Bus an.

Der Freitag sollte ein harmonischer Abschlusstag werden und uns von den nassen Strapazen des Vortages entschädigen. Leider behielt auch an diesem Tag der Wetterbericht recht: Die Sintflut war noch nicht zu ende.
Lange wurde diskutiert, sollte man überhaupt zu den geplanten Unternehmungen starten. Letztlich wurde entschieden, wenigstens das in einem abgelegenen Waldrestaurant vorbestellte rustikale Mittagessen nicht ausfallen zu lassen.
Auch wenn der Wettergott sich nicht gnädig zeigte, hatte sich der Ausflug gelohnt. Das Essen war typisch für die Region. Und wir Fotografen konnten spannende Aufnahmen von den Wassermassen rund um die Wassermühle machen.

Der Samstag versöhnte uns mit spätsommerlichem Sonnenschein und gab uns Gelegenheit, sich von diesem interessanten Land zu verabschieden.
Manche besuchten nochmals Dubrovnik, Andere umwanderten die beiden angrenzenden Halbinseln und versuchten ihre letzten Kunas in Souvenirs zu tauschen.
Eine zufriedene Stimmung lag über der Reisegruppe, als wir am Samstagabend zum letzten Mal im großen Speisesaal zusammen saßen und das Abschiedsessen genossen.

Der Rückflug verlief – das sei ordnungsgemäß erwähnt – planmäßig.
Die Reise kann ich Jedem empfehlen, der sich für dieses schöne Land und diese Region interessiert, die eine doch so tragische Vergangenheit hat und nun bemüht ist, eine friedliche Zukunft aufzubauen.

 

Auf den Spuren unserer Mönche

Eine Reise durch das südliche Polen

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Ich will über eine Reise berichten, die ich kürzlich durch das südliche Polen gemacht habe. Früher nannte man diese Region Schlesien.  Hier haben meine Vorfahren gelebt und hier wurde ich geboren. Dennoch zögere ich, von meiner Heimat zu sprechen.

Ich habe lange gebraucht, bevor ich mich zu dieser Reise entschloss. Eigentlich glaubte ich, dass ich mich damit abgefunden hätte, dass das einstige Schlesien wie auch andere Gebiete im Osten nun nicht mehr zu Deutschland gehören und dass sie für  den Preis der deutschen Wiedervereinigung für immer aufgegeben wurden.
Dennoch beschäftigte mich in letzter Zeit – vermutlich altersbedingt – immer wieder der Wunsch, doch noch einmal das Land zu bereisen, das eine so wechselvolle Geschichte hatte und bei dessen Erschließung insbesondere die Zisterzienser Mönche aus unserem Kloster Pforta Herausragendes geleistet haben. Das machte mich neugierig!

In fast allen Büchern, die sich mit der Geschichte des ‚Deutschen Ostens’ beschäftigen, werden Sie – unsere schlichten Mönche – erwähnt und dafür gelobt, dass sie als ‚Rodungsspezialisten’ sehr willkommen waren, weil sie ihre Klöster mitten hinein in die Wildnis setzten, dabei die riesigen Waldgebiete kultivierten, Flüsse  bändigten und mit deutschen Siedlern deutsche Dörfer gründeten.
Wie beschwerlich das war, können wir uns heute kaum vorstellen.
Gustav Freytag hat in seinem Werk „Bilder aus der deutschen Vergangenheit“ farbig und lebensnah geschildert, wie sich die Besiedlung der Ostgebiete damals abgespielt hatte.
Die Bauern, Handwerker und Kaufleute versprachen sich bessere Chancen und einen schnellen Aufstieg auf neuem Boden.
Was versprachen sich aber unsere Mönche in dieser fremden und zum Teil unkultivierten Gegend? Warum wollten sie neue    Klöster gründen, obwohl ihre Anlage an der Saale noch längst nicht baulich fertig war und man sich in der näheren Umgebung  hätte reichlich betätigen können?
War es ihr ehrliches Bedürfnis, die slawischen Heiden von ihrer christlichen Religion zu überzeugen, oder sahen sie sich genötigt,  die Eroberungspolitik der Kirche und deutscher Feudalherren im Osten zu unterstützen?
Oder war es ihr eigenes Machtstreben, möglichst viele erfolgreiche Filitationen zu haben. Ihr Orden dominierte zu dieser Zeit in Europa und genoss großen Einfluss auf politische Entwicklungen.
Und das Kloster Pforta hatte sich nach den anfänglichen Schwierigkeiten in kurzer Zeit hervorragend entwickelt und war zu einem wichtigen Faktor geworden. Seine Mönche waren geschätzt, sie mussten die Herrscher der Ländereien nicht um Einverständnis bitten, sie waren willkommen – man holte sie.
Boleslaus der Lange, der in Thüringen aufgewachsen war, hatte 1163, als er wieder in sein Land zurückkehren konnte, Zisterziensermönche aus Pforta mitgenommen und ihnen Leubus an der Oder als Klostersitz zugewiesen.
1175 erhielten sie von ihm den Stiftungsbrief, die offizielle Gründungsurkunde und die Erlaubnis, deutsche Bauern auf ihren Gütern anzusiedeln.
Ihr Start an der Oder war ähnlich beschwerlich wie seinerzeit der an der Saale. Auch glichen sich die ersten bescheidenen Bauten. Es dominierten die schlichten Kirchen mit ihren Flachdächern und die dürftigen Klausuren. Die prachtvollen Anlagen entstanden erst in späteren Jahrhunderten.

Zurück aber zu meiner Reise:
In Krakau, der einstigen Hauptstadt Polens, begann unsere Rundreise. Wir waren eine relativ kleine Gruppe. Außer mir waren die anderen Teilnehmer historisch unbelastet – also keine Heimatvertriebene.
Erst in den Hotels trafen wir auf echte ehemalige Schlesier, die das Land 1945 hatten verlassen müssen. Man erkannte sie an ihrem charakteristischen Tonfall, der mir zwar vertraut ist, den ich aber selbst nicht beherrsche.

Krakau und Breslau waren die Hauptstationen unserer Reise, das sagenumwobene Riesengebirge die Abrundung des Programms.
Dass Krakau beeindruckend ist, weiß man. Auf den Bildern 1-2-3 sieht man den Schlossberg auf dem Wawel, den historischen Hof der Universität und die Marienkirche inmitten der Altstadt mit dem Altar von Veit Stoß.

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Universität Krakau

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Königsschloss Wawel

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Die Aufnahmen zeigen das Breslauer Rathaus und die berühmte  Aula der Universität Leopoldina. Der Besuch von Breslau war für  mich besonders wichtig. Die Stadt war im Krieg fast vollständig zerstört worden und wurde sehr liebevoll von den neuen Bewohnern wieder aufgebaut.
Dennoch glaubte ich mich in einer deutschen Stadt zu befinden – ich fühlte mich irgendwie heimisch

Aber zurück zu unseren Mönchen:
Da Leubus nicht auf dem Programm stand, war ich auf das Kloster Grüssau sehr gespannt.
Wie ich schon sagte, gründeten unsere Mönche, die sich selbst erst 1137 an der Saale angesiedelt hatten, 1175 zwei Töchter-Klöster – nämlich Altzella in Sachsen und Leubus in Schlesien.
Wie man in der Schrift „Die Zisterzienser …“ von Petra Dorfmüller nachlesen kann, durfte ein Kloster eine Filiation gründen, wenn mindestens 60 Mönche in diesem lebten, und es in seiner inneren Struktur stabil genug war. Erst dann durfte der Konvent 12 Brüder mit ihrem neuen Abt zur Gründung eines neuen Klosters entsenden.
Wie sich das intern im Kloster Pforta abspielte, schildert der euch sicherlich bekannte Autor Johannes Derksen in seinem Buch „Im verschlossenen Garten“.
Nach den erfolgreichen Gründungen in Leubus und Altzella entsandte Pforta 1208 Mönche nach Dünamünde bei Riga im heutigern Lettland, gründete 1243 das Kloster Falkenau bei Dorpat und 1305 Padis bei Reval in Estland und übernahm als Tochter das Kloster Stolpe an der Ostsee, das 1153 als Benediktinerkloster gegründet worden war.

Unsere Mönche blieben aktiv und expansiv. Sie genossen hohes Ansehen, auch in der Ordensgemeinschaft. Man übertrug ihnen   nicht nur das Visitationsrecht über die eigenen Klostergründungen, sondern auch über deren Tochtergründungen und über weitere Zisterzienserklöster.

Kloster Leubus, zwischen Glogau und Breslau an der Oder gelegen, entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte zum Kulturzentrum Polens und zum größten sakralen Barockmonument in Europa. Wie sein Mutterkloster Pforta verfolgte auch Leubus einen expansiven Kurs:
1222 gründete man Mogila, 1227 Heinrichau, 1246 Kamenz und 1292 das Kloster Grüssau.
Die Geschichte vom Kloster Leubus verlief sehr wechselvoll. Seine Hochzeit erlebte es unter den Habsburgern, unter deren Herrschaft die prunkvollen barocken Bauten entstanden. Die Dimensionen müssen gigantisch gewesen sein, allein die Doppelturmfassade hat eine Länge von 223 Metern.
Dagegen wirkt unsere Klosteranlage mehr als bescheiden – eben zisterziensisch schlicht.
Der bauliche Zustand von Leubus soll heute renovierungsbedürftig sein. Ich kenne leider nur Bilder von der Anlage.
Tief beeindruckt war ich vom Kloster Grüssau, das im Ziedertal des Riesengebirges liegt und 1242 für Benediktinermönche aus Böhmen gegründet worden war.
1292 übernahmen Zisterziensermönche aus Heinrichau das Kloster. Auch seine Geschichte war sehr wechselvoll.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg begann Grüssaus goldenes  Zeitalter, welches bis zur Säkularisierung 1810 andauerte. 1919 kamen Prager Benediktiner-Mönche. Sie wurden1945 vertrieben. Zurzeit leben polnische Benediktinerinnen aus Lemberg in der Klausur.
Die Bilder 8 – 14 vermitteln einen Eindruck vom einstigen Wohlstand des Klosters und seinem heutigen Zustand.
Obwohl die ursprüngliche Marienkirche des Klosters schon repräsentativ war, ließ der damalige Abt sie 1728 abreißen und     eine noch prunkvollere barocke Kirche nach böhmischem Vorbild errichten. Und da diese nur für die Mönche bestimmt war, baute  man für die Laien eine eigene Kirche, die nur wenige Meter von der Klosterkirche entfernt liegt und in ihrer Ausgestaltung der Hauptkirche nur unwesentlich nachsteht.
Als ich auf das Klostergelände kam und vor der barocken Doppelturmfassade stand, beschlich mich ein eigenartiges Gefühl.  Die beiden Türme wirkten so unendlich mächtig. Ich musste in diesem Moment an die Westfassade unserer Klosterkirche denken und verglich sie in Gedanken.

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Ich war überwältigt von dem überbordenden Schmuck im Innern  der Kirche. Nichts erinnerte mehr an die zisterziensische   Schlichtheit. Zu offensichtlich schien mir die Absicht dieser barocken Ausstattung, mit der die Überlegenheit des Katholizismus über den Protestantismus demonstriert werden sollte.

Der örtliche Reiseführer, ein sprachgewandter Mann, den man sich gut als Prior vorstellen konnte, erzählte mit strahlenden Augen von der glorreichen Zeit des Klosters und vom Wirken der Zisterzienser-Mönche in dieser Region. Nachdem er mehrfach die Mönche aus Pforta erwähnte, konnte ich nicht widerstehen und ließ durchblicken, dass ich aus Pforta komme.
Er sah mich erstaunt an, als wäre ich ein leibhaftiger Nachkomme dieser tüchtigen Ordensbrüder.
Vieles wollte er von mir wissen – und ich erzählte von unserer Pforte, von der Ursprünglichkeit und Bescheidenheit der Klosterkirche, in der es keinen Schmuck gab und gibt, vom Kreuzgang und der Klausur, in der Jungen und Mädchen heute leben und lernen.Er war ein aufmerksamer Zuhörer.

Ich musste auf unser Weiterfahrt unwillkürlich an unsere Mönche denken, die im Zuge der Reformation 1540 ihr Kloster verlassen mussten und bescheiden abgefunden worden waren, während für ihre östlichen Ordensbrüder jetzt eine glanzvolle Zeit begann, in der sie ihre Kirchen und Klausuren prunkvoll ausschmückten.
Dass sie sich dabei von den zisterziensischen Bau- und  Lebensregeln immer mehr entfernten schien sie nicht zu stören. Ein Zeuge dieses üppigen Prunks ist der Abtssessel vom Kloster Grüssau.
Das Klosterleben im Osten endete 1810 mit der Säkularisierung. Offensichtlich hatte die prunkvolle Ausgestaltung der    Klosteranlagen zu ihrem Ende beigetragen
Neben der Klosterkirche Mariä Himmelfahrt in Grüssau   beeindruckten uns weitere Kirchen. Sie waren in bestem Zustand, fast alle mit dem Papstbild geschmückt und spiegelten die ausgeprägte Gläubigkeit der Bevölkerung wider.
Nennen möchte ich die Wallfahrtskirche des Bernhardiner-Klosters   in Kalwaria (4), die Geburtskirche des ehemaligen Papst Johannes Paul II in Wadowice, die Friedenskirche in Schweidnitz (5), die schlichte Holzstabkirche Wang im Riesengebirge (15 + 16) und natürlich die Pauliner-Kirche in Tschenstochau (19 + 20) mit der Marienkapelle, in der das Gnadenbild der Schwarzen Madonna  verehrt wird.
Der Menschenandrang vor der Ikone aus dem 14. Jahrhundert war überwältigend und professionell inszeniert. Die Marienverehrung der Polen ist allgegenwärtig.
Wir besuchten auf dieser Rundreise aber nicht nur Kirchen und Klöster. Da Schlesien angeblich die Region mit der größten Schlösser-Dichte in Europa ist, sahen wir stattliche Herrenhäuser und Paläste … und das nicht gerade schlichte Haus des deutschen Dichters Gerhart Hauptmann in Agnetendorf (17 + 18). Hier schrieb er in der Abgeschiedenheit des Riesengebirges einige seiner beeindruckenden Dramen.

Zum Schluss: Es war eine gute und bereichernde Reise. Ich war dankbar, dass wir sie machen konnten.
Ob sie in mir Heimatgefühle geweckt hat, kann ich noch nicht sagen. Das ist, wie wir wohl alle in dieser Runde wissen, ein schwer mit Worten zu beschreibendes Empfinden.
Auf jeden Fall bin ich stolz auf meine Vorfahren, die einst dazu beigetragen haben, dieses fruchtbare und reizvolle Land zu kultivieren … und stolz auf unsere Mönche aus der Pforte, deren Verdienst meines Erachtens nicht ausreichend genug gewürdigt  wird. Was sie geleistet haben, ist eindrucksvoll.
Dass sie sich so unauffällig aus der Geschichte verabschieden mussten, berührt mich.