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Kleine Postkartengeschichte

                         Eine kleine Postkartengeschichte

Per Zufall las ich in unserer Zeitung, dass sich der Philatelisten-Club regelmäßig jeden zweiten Dienstag im Monat trifft, um Briefmarken auszutauschen. Da auch Gäste gerne gesehen sind, nahm ich die Gelegenheit wahr, an diesem Treffen teilzunehmen.

Ich selbst zähle mich nicht mehr zu den echten Briefmarken-Sammlern, da ich längst das Sammeln der kleinen Kunstwerke aufgegeben habe, nachdem ich mich damit abgefunden hatte, dass ich wohl niemals „Die Blaue Mauritius“ oder den „Schwarzen Einser“ zu Gesicht bekommen werde. Ich hatte mir stattdessen die jährliche Schriftenreihe „Die Postwertzeichen“ bei der Post bestellt und mich an den postalischen Neuerscheinungen erfreut. Kurzerhand packte ich also etliche Exemplare meiner Sammlung in meinen kleinen Reisekoffer und marschierte zu dem Treffen. Auch wenn ich den anwesenden Clubmitgliedern fremd war, wurde ich freundlich empfangen.

Meine mitgebrachten Exemplare machten bei den Anwesenden keinen großen Eindruck. Man kannte sie oder hatte sie selbst mal gesammelt. Schon bald merkte ich, dass sie vom Sammeln andere Vorstellungen hatten. Das Sammeln von schönen und wertigen Dingen kann zur Leidenschaft, zu einem echten Hobby werden. Es beeindruckte mich, wie bei dieser Veranstaltung die Sammler mit viel Engagement und Respekt vor den kleinen Kunstwerken ihre Marken präsentierten, sich besprachen und Informationen austauschten. Rührend empfand ich, wie liebevoll sie mit den kleinen Marken und ihren Alben umgingen, denen man ein gewisses Alter ansah und die auf eine intensive Nutzung hindeuteten. Kurzum – ich musste an die Aussage denken, dass Briefmarkensammler ganz spezifische Menschen sind, die ihre kleinen Kunstwerke über alles schätzen und meist mit ihrer Welt voll und ganz zufrieden sind.

Neben mir saß bei dem Treffen ein Sammler, der einen ganzen Stapel Postkarten vor sich liegen hatte und der mir anbot sie anzusehen. Ich war von dem breiten Sortiment beeindruckt, das aus Exemplaren verschiedener Länder und Zeiten stammte. Plötzlich stutzte ich, als ich eine leicht angegilbte Karte in der Hand hielt, die an eine Frau Hauptmann in Glogau/Schlesien gerichtet war und aus Berlin-Wilmersdorf kam.

Beide Orte hatten für mich eine besondere Bedeutung: In Glogau wurde ich vor vielen, vielen Jahren geboren und in Berlin-Wilmersdorf wohnte ich während meiner Studienzeit. Ich war beeindruckt, auf dieser vergilbten Karte wichtige, mich tangierende Lebensdaten zu sehen. Meine Begeisterung steigerte sich noch, als ich auf das Datum sah: Die Karte war am 16. 3. 1911geschrieben und in BERLIN W abgeschickt worden, wie der aufgedruckte Poststempel zeigt ­­­ – also vor fast 113 Jahren! Mein Tischnachbar sah meine Begeisterung über diese Zufälligkeiten und überließ mir die Karte, die in der für uns heute kaum noch lesbaren Sütterlin-Schrift verfasst war.

Zufrieden ging ich nach Hause, mit dem Gefühl, als hätte ich gerade die „Blaue Mauritius“ geschenkt bekommen. Nun wollte ich mehr über diese eigenartige Karte erfahren.

Die äußere Bewertung war nicht schwierig: Sie sah, was nicht verwunderte, leicht vergilbt aus und hatte Altersflecken.

Mich beschäftigte zunächst die Geschichte der Deutschen Postkarte und erfuhr, dass sie (am 1. Oktober 1869) als Correspondenzkarte gegründet und zwei Jahre später in Postkarte umbenannt wurde und dass die ersten Exemplare noch unbedruckt waren und aus dickem Papier bestanden.

Meine Kontrollmessung ergab, dass die Karte mit den Maßen 14,2 x 9,1 cm fast unserer heutigen Mindestgröße entspricht.

Diese Informationen hatten sich leicht ergeben. Schwieriger war es für mich, den Inhalt der Karte zu entschlüsseln. Damals schrieb man in Deutschland noch in Sütterlin-Schrift, die Herr Sütterlin kurz zuvor kreiert hatte und die bis 1941 an den deutschen Schulen als Grundlage für die Schreibschrift diente.

Ich hatte die Schrift nicht mehr gelernt und konnte nur einzelne Worte entziffern. Eine ehemalige Lehrerin half mir den Text richtig zu lesen. Der Inhalt handelt von einem ganz alltäglichen Thema.  Eine Berlinerin mit Namen Käte berichtete ihrer Schwester Frau Hauptmann Illing in Schlesien, dass es ihrem Walter jetzt wieder besser gehen würde und dass Dr. G. heute zufriedener war.

Auch wenn die Überbringung dieses Anlasses eher banal erscheint, den man heute mit den neuen Kommunikationstechniken in Windeseile erledigen kann, fand ich den Vorgang irgendwie interessant. Er zeigt uns, wie wichtig in der frühen Vergangenheit die Funktion der Post war, mit ihren zunächst noch bescheidenen Dienstleistungen und welche Bedeutung dabei die Briefmarken und die Postkarten hatten, die heute eher ein Randdasein führen.

Da echten Philatelisten die Geschichte der Briefmarke bestens vertraut ist, habe ich mir die auf der Karte aufgedruckte Marke genauer unter die Lupe genommen.

Es handelt sich um ein Exemplar aus der Germania-Serie von 1902, das eine besondere Geschichte hat. Bekanntlich erschienen erst mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 einheitliche deutsche Briefmarken. Während andere Länder ganz selbstverständlich ihren Monarchen als „Aushängeschild“ nahmen, musste man sich in Deutschland mit der Symbolfigur der „Germania“ erst auf eine entsprechende nationale Selbstdarstellung verständigen.

Ich bewundere immer wieder die komplette Reihe, die von 1900 bis 1922 im Umlauf war. Die Marken sind beliebte Sammlerobjekte für Philatelisten. Bestimmte Marken, ob gestempelt oder ungestempelt, werden hoch gehandelt. Leider ist meine Germania auf der Postkarte nur aufgedruckt.

Ich wünsche allen Philatelisten viel Freude mit ihrer Germania-Sammlung.

Roman „Der Freundschaftsbund“!

Liebe Romanfreunde,

ich kann Ihnen heute die erfreuliche Mitteilung machen, dass mein neuer Roman Der Freundschaftsbund nun vorliegt und bei mir direkt, beim Verlag oder im Buchhandel bestellt werden kann.

Das Buch kostet 13,50 €.  Die ISBN lautet:  978-3-945713-50-1

Der Roman spielt in Naumburg und natürlich auch in Schulpforta und seiner Umgebung.

Text der Buchrückseite:

Kriminalhauptkommissar Ralf Rodig vom Burgenlandkreis steht dieses Mal vor einer besonderen Herausforderung: In der Kapelle auf dem Domfriedhof liegt ein Toter. Auf seinem nackten Oberkörper ist     ein Dolch drapiert, den fünf gleichgroße rote Kreise einrahmen.  Wer ist der Tote? Deutet der Dolch auf einen Ritualmord hin oder handelt es sich hier um die Tat von Extremisten? Sein Schmiss auf der Wange lässt Rückschlüsse zu. Doch welche Bedeutung haben die blutroten Kreise? Sollten gar die Mitglieder der Gralsrunde mit dem Mord zu tun haben, die zu dem Nietzsche-Kongress nach Naumburg angereist sind? Wie Rodig hörte, gilt für dieses Bündnis ein strenger Ehrenkodex – Verstöße     davon werden konsequent verfolgt. Rodig ahnt, dass die Ermittlungen schwierig werden. Auf die Unterstützung der Kollegen vom Landeskriminalamt will er aber auch in diesem Fall verzichten.

Freuen Sie sich auf einen spannenden Roman!

 

Leseprobe: Der Fluch der Schönheit

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Leseprobe

Kapitel 1

Rosenmontagsball 2010

Kommissar Ralf Rodigs Begeisterung, mit Nancy zum Rosenmontagsball der Naumburger Faschingsgesellschaft zu gehen, hielt sich in Grenzen.
„Das ist doch nichts für mich“, hatte er gesagt, als sie ihn in seiner Wohnung besuchte und mit zwei Eintrittskarten für den Ball vor seinem Gesicht herumwedelte.
„Na gut“, hatte sie schnippisch geantwortet, „wenn sich der Herr Kriminalhauptkommissar für derartige Vergnügungen zu alt fühlt, suche ich mir einen anderen Begleiter. Die Karten lass ich nicht verfallen.“
Ralf Rodig, Leiter des Kriminalkommissariats im Burgenlandkreis, hatte sich in den mehr als zwanzig Jahren, die er hier lebt, an die unbeschwerte Lebensart der Einheimischen gewöhnt. Für Veranstaltungen dieser Art hatte er aber wenig Verständnis.
Vor drei Jahren hatte er bei einer Vernissage im Naumburger Kunstverein Nancy Kaminsky kennengelernt, die grazile Malerin mit dem eigenwilligen roten Kurzhaarschnitt und den feenhaften Bewegungen. Ihre Erscheinung hatte ihn beeindruckt, ihre abstrakten Gemälde waren ihm jedoch bis heute fremd und  rätselhaft geblieben.
Dem Besuch des Faschingsballs hatte er dann notgedrungen zugestimmt, da auch gemeinsame Freunde zugesagt hatten, daran teilzunehmen.
Als Nancy ihn aber wissen ließ, dass auch sie, wie ihre Freundinnen, an dem Wettbewerb „Das Kostüm des Abends“ teilnehmen wolle, bereute er seinen Entschluss.
„Als was willst du gehen?“, fragte er neugierig.
„Als Nofretete“, sagte sie und streifte unbekümmert über ihren Kurzhaarschnitt.
„Sagtest du Nofretete?“
„Ja – als Nofretete! Was wundert dich?“
„Meinst du die ägyptische Königin?“
„Ja – die. Gibt es denn noch eine andere Nofretete?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein – ich kenne auch nur die eine.“ Er stellte sich vor, wie sie wohl als ägyptische Königin aussehen würde.
„Und – was denkst du?“, fragte sie und blickte ihn herausfordernd an.
„Nun ja“, murmelte er, „ich kenne eigentlich nur die Büste. Ich     kann mir nicht vorstellen, wie sie als ganze Frau ausgesehen hat.“
„Das weiß man schon“, entgegnete Nancy bestimmt. „Von Wandgemälden und Reliefs kennt man sie in ihrer verführerischen Pracht. Sie muss verdammt attraktiv gewesen sein.“
„Willst du auch diesen Hauch von Kleidung tragen?“, fragte er verlegen.
„Natürlich – wenn ich mich verkleide und an dem Wettbewerb teilnehme, will ich meine Chance auch nutzen“, erklärte sie. „Jenny wird als Uta, Silvia als Reglindis und Britta als die Gräfin Bechta gehen.“
„Die drei als Stifterfiguren vom Dom kann ich mir vorstellen, aber dich als Nofretete…?“ Er holte tief Luft, ging um sie herum und musterte sie von oben bis unten.
„Warum gerade als Nofretete?“, fragte er mit grüblerischem Gesichtsausdruck und zog sie an sich.
Nancy machte eine wirsche Körperbewegung und schob ihn zurück. „Weil ich sie schon seit meiner Jugendzeit bewundere.   Sie ist für mich die schönste Frau, höchstens unsere Uta kann es  mit ihr aufnehmen. Darum möchte ich einmal in ihre Rolle schlüpfen und mich als Königin fühlen. Meine Kosmetikerin wird mich stylen  und das Kleid werde ich selber nähen. Ich habe mir Vorlagen ausgedruckt und den Seidenchiffon schon besorgt. Du wirst sehen, ich werde majestätisch wirken.“
Rodig ärgerte sich, wieder einmal Nancys feinsinnigem Charme erlegen zu sein. Was werden meine Polizeikollegen denken? Ich, der allseits respektierte Kriminalhauptkommissar, als Lakai der ägyptischen Königin. Ein ungutes Gefühl machte sich breit.
Ralf Rodig hatte im Umgang mit Frauen so seine Probleme. Seine  Ehe war gescheitert. Er hatte sich zu wenig Zeit für seine junge   Frau genommen und seinen beruflichen Verpflichtungen stets Vorrang gegeben. Auch als ihr Sohn Reinhard auf die Welt kam, änderte er seine Gewohnheiten nicht. Immer häufiger fuhr seine  Frau mit Reinhard in die Heimat, wo sie für mehrere Tage bei ihren Eltern blieben. Sie entfremdeten sich immer mehr. Das Ergebnis war eine einvernehmliche Scheidung.
Ralf Rodig, ein ansehnlicher Mann Anfang fünfzig, achtete auf ein gepflegtes Aussehen und dezente Kleidung. Nur mit Unbehagen hatte er sich in den ausgeliehenen Smoking gezwängt. Unter den Armen war er zu eng, der Stoff glänzte an Ellbogen und Knie.   Damit er nicht für einen Kellner gehalten werde, hatte Nancy ihm  eine bunte Papiergirlande um den Hals geschlungen und eine Kapitänsmütze aufgesetzt.
Rodig war erstaunt, mit wie viel Einfallsreichtum und kreativem Geschick sich die Damen und Herren für diesen Abend  herausgeputzt hatten. Die Stifterfiguren vom Dom begegneten ihm wiederholt. Mehrere Ekkehards stolzierten in würdevoller Haltung über das Parkett. Utas gab es in Groß und Klein, schlank und auch mit üppiger Fülle.
Mächtig stolz war er auf Nancy, die wie eine wahrhaftige ägyptische Königin aussah und allseitig bewundert wurde.
Die ausgelassene Stimmung im bunt dekorierten Rathaussaal und Nancys gute Laune sorgten dafür, dass sich Ralf Rodig allmählich  von der Woge der Leichtigkeit und Fröhlichkeit mitreißen ließ. Vergnügt tanzten und amüsierten sie sich. Nur schwach vernahm er die Vibration seines Handys.
Sein Freund, Polizeimeister Fritz Andersen, meldete sich: „Es tut mir leid, euch an diesem Abend zu stören“, sagte er, „aber die Pflicht ruft. Edgar wird dich gleich abholen.“
Nancy machte ein enttäuschtes Gesicht, sie hasste diese Anrufe,   die nie Gutes bedeuteten. Er entschuldigte sich und verabschiedete sich von ihr mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange.
Er holte seinen Mantel aus der Garderobe und schenkte die Papiergirlande der Garderobenfrau. „Müssen Sie schon gehen –    Herr Kommissar?“, krächzte die kleine Frau mit heiserer Stimme mitfühlend. „Sie verpassen das Beste vom Abend, die Prämierung  der ‚Schönsten’. Frau Kaminsky sieht als ägyptische Königin wunderschön aus. Ich und meine Kollegen haben für sie gestimmt.“
„Auch ich habe sie gewählt“, verriet er ihr, während er den Mantel anzog.
Edgar Baumann wartete in seinem Einsatzwagen auf dem Markt direkt vor dem Rathaus.
„Was ist passiert?“, fragte Rodig beim Einsteigen.
„Im Dom gibt es einen Toten …“
Rodig ließ ihn nicht aussprechen: „… nein – nicht schon wieder im Dom“, stöhnte er. „Wir haben doch noch nicht einmal den alten Fall aufgeklärt …“
„Ja – das hat mein Chef auch gesagt“, bemerkte der junge Mann. „Es ist aber so.“
„Und – was hat er noch gesagt?“
„Er sagte nur, dass der Tote ein Domwächter sei und ich Sie holen soll.“
„Haben Sie den Toten gesehen?“
„Nein. Ich habe überhaupt noch keinen Toten gesehen.“
Rodig dachte in diesem Moment an den IT-Experten aus Berlin, der erst vor wenigen Monaten bei wissenschaftlichen Arbeiten an den Stifterfiguren zu Tode kam. Der Fall hatte großes Aufsehen erregt. Das BKA schaltete sich ein und übernahm die Ermittlungen. Eine französische Journalistin geriet in Verdacht, doch man konnte ihr nichts nachweisen. Sie hatte ein hieb-und stichfestes Alibi. Die Untersuchungen waren erst vor zwei Wochen offiziell eingestellt   und der Tod als Unfall deklariert worden.
Rodig sah das anders, konnte sich aber gegen seinen Chef und die Berliner Kollegen vom Bundeskriminalamt nicht durchsetzen. Er glaubte an keinen Unfall.
Während sie durch das nächtliche Naumburg fuhren, begann der junge Beamte zu erzählen: „Es war kurz vor 23 Uhr, als ein älterer Mann in unserer Revierwache auftauchte und um Hilfe bat. Er sagte, er heiße Erich Rastmann und sei einer der Domwächter. Er habe das schreckliche Gefühl, seinem Kollegen könnte etwas zugestoßen sein.“
„Und – was noch?“, Rodig wurde ungeduldig. „Machen Sie’s kurz, wir sind gleich beim Dom.“
„Er erzählte, dass sein Kollege Thomas Wallenstein, ein äußerst zuverlässiger Mann, heute Nacht den inneren Kontrollgang übernommen hatte, während er den Kreuzgang, die nördlichen Außentüren und das angrenzende Gelände überprüft habe. Anschließend wollten sie sich, wie immer, vor dem Dombrunnen treffen. Er sei aber nicht erschienen.“
„Warum hat er selbst nicht nachgesehen?“
„Das haben wir ihn auch gefragt. Er hatte nur den Kopf geschüttelt.“
„Und weiter …?“
„Wir fuhren mit ihm zum Dom. Mein Chef ging mit Herrn Rastmann hinein, während ich draußen auf dem Vorplatz wartete. Nach etwa einer viertel Stunde rief mich mein Chef an und sagte, ich solle Sie holen.“
Rodig blickte auf seine Armbanduhr, es war kurz nach ein Uhr. Auf dem Domvorplatz parkte der Wagen der Spurensicherung und das Auto des diensthabenden Gerichtsmediziners Dr. Haverstein. Bevor er ausstieg, wählte er die Handynummer von seinem Mitarbeiter Kommissar Nolde – dessen Mailbox sprang an. „Hier Kommissar Rodig – melden Sie sich umgehend bei mir. Es gibt Arbeit!“
„Die sollten Sie ablegen“, sagte der junge Polizist etwas schüchtern und deutete auf die Papiermütze auf seinem Kopf.
„Danke“, murmelte Rodig und warf die Kopfbedeckung auf die Rückbank des Wagens. Dann stieg er aus.

Leseprobe: Das Kopernikus-Vermächtnis

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Das sagt das Kriminetz

Leseprobe:

Teil 1

Auf dem Bismarckturm

Schon seit Stunden wütete über dem Saaletal das Gewitter. Den grellen Blitzen folgten in Sekundenschnelle rollende Donnerschläge. Sie verwandelten die Nacht in ein mächtiges Feuermeer und ließen die Erde erbeben.
Wolfram Gollwitz stand am Fenster der Souterrainwohnung und beobachtete, wie die Niederschläge die Terrasse vor dem Bismarckturm in einen See verwandelten und die ungestümen Windböen die Gartenmöbel und die Blumenkübel durch die Gegend wirbelten. Wo vor wenigen Stunden noch Gäste saßen und das hochsommerliche Wetter und den Ausblick auf die Weinberge genossen, herrschte nächtliche Untergangsstimmung.
Er hatte schon verschiedene Male hier oben gewohnt, doch solch ein Unwetter hatte er in dieser Gegend noch nie erlebt. Ihn faszinierten die ungezügelten Naturgewalten und das Chaos, das sie anrichteten. Verzückt starrte er nach draußen und verfolgte gebannt das nicht enden wollende Aufleuchten der Blitze und das Grollen der Atmosphäre.
Ein Blitz, abgeschossen wie ein Pfeil, traf die mächtige Eiche unweit der Terrasse. Ihm folgte ein ohrenbetäubender Schlag, der die Mauern des Turmes erschüttern ließ. Ächzend fiel ein riesiger abgespaltener Eichenast auf den überschwemmten Boden. Plötzlich herrschte Totenstille – das Gewitter war weitergezogen, der Regen hatte aufgehört.
Gollwitz öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus. Die Luft roch feucht und schweflig. Gierig sog er sie ein. Er wollte gerade das Fenster schließen, als er zwei Gestalten aus dem Turm kommen sah, die hastig zum überfluteten Parkplatz liefen, in ein bereitstehendes Auto stiegen und davonfuhren. Gollwitz schaute ihnen nach, bis die Rücklichter ihres Wagens nicht mehr zu erkennen waren. Dann schloss er das Fenster – unschlüssig ging er im Zimmer auf und ab.

Ein Schrei riss ihn am frühen Morgen aus dem Schlaf. Er sprang auf, öffnete einen Spaltbreit das Fenster und sah nach draußen. Auf der Terrasse stand zwischen den Wasserlachen Ludmilla, die Putzfrau. Sie schrie aus Leibeskräften und gestikulierte wild. In der linken Hand hielt sie ihren Putzeimer, aus dem Wasser schwappte. Der Gärtner ließ seinen Besen fallen, mit dem er versucht hatte, das Wasser von der Terrasse zu fegen, und eilte der schreienden Frau zur Hilfe.
Im gleichen Moment kam die Köchin aus der Küche gestürzt, ihr folgten der Jungkoch und zwei verschreckt wirkende Kellnerinnen.
Die Köchin fasste die schreiende Frau beherzt an den Schultern: „Was ist passiert, Ludmilla, warum schreist du so fürchterlich? – Beruhige dich!“
„Mann im Turmzimmer t-t-tot“, stammelte die Putzfrau mit hochrotem Kopf und zeigte mit dem ausgestreckten Arm zur Turmspitze.
„Tot?“, fragte die Köchin ungläubig.
„Da – da“, schluchzte Ludmilla in gebrochenem Deutsch, „alles voll Blut; Gast ganz tot, voll tot. Seine Augen gestarrt, ganz schrecklich geblickt, alles kaputt, umgekippt, toter Mann auf Boden.“
Ihre Stimme überschlug sich, sie suchte nach Worten. Ihr Mann, der Gärtner, griff nach ihrer Hand und versuchte sie zu beruhigen.
„Ich rufe die Polizei“, sagte die Köchin entschlossen und lief zurück  in die Küche.
Gollwitz verfolgte gespannt das Geschehen auf der Terrasse. Es war ein freundlicher Tag. Die ersten Sonnenstrahlen ließen die dramatische Nacht vergessen. Nur vereinzelt sah man noch Wasserpfützen auf der Terrasse. Der angekohlte Eichenast lag zersplittert quer über dem Sandweg, sein Laub war versengt.
„…im Turmzimmer…“ klang es Gollwitz noch immer im Ohr. Er überlegte: Auch er hatte einige Male dort oben im Turm  übernachtet, wenn das Souterrain-Apartement belegt war. Der Ausblick aus der Höhe auf das Saaletal und die gegenüberliegenden Weinberge hatten ihm gefallen, dennoch bevorzugte er das Doppelzimmer im Erdgeschoss.
Sie waren die einzigen Bewohner in dem burgähnlichen Gebäude – er und der Andere, der jetzt tot war. Die übrigen Gäste wohnten  in den angrenzenden Ferienhäusern.
Gollwitz stand noch immer am Fenster, als Herr Seibold, der  Inhaber des Bismarckturms, mit seinem Transporter auf den Hof fuhr.
„Gut, dass du kommst!“, rief ihm die Köchin entgegen. „Ludmilla sagt, der Gast im Turmzimmer ist tot. Ich habe bereits die Polizei verständigt.“
„Stimmt das?“, fragte Seibold die Putzfrau und machte ein ungläubiges Gesicht.
Sie nickte immerzu. „Ja – Mann ist tot“, wiederholte sie. „Ich denkte, Gast schon abgereist. Ich oben ankam, war Tür offen. Ich ins Zimmer guckte, da lag er, er mich anstarrte. Alles voller Blut; ich nach unten gerannt und bin gerufen.“
„Habe gerufen“, korrigierte ihr Mann, der neben ihr saß und ihre Hand streichelte. Er war einige Jahre älter als seine Frau und im Unterschied zu ihr ausgesprochen hager.
Gollwitz hatte gelegentlich mit dem Mann aus der Ukraine gesprochen, der sich sehr liebevoll um die Gartenanlage und den Berghang kümmerte.
„Sie haben alles richtig gemacht“, beruhigte Herr Seibold die Putzfrau. Er zog sein kariertes Taschentuch aus der Hosentasche und tupfte sich die Schweißperlen von der Stirn. „Ich werde nach oben gehen und mir das Zimmer ansehen“, sagte er, „bleiben Sie  hier sitzen.“ Und zur Jungkellnerin sagte er: „Bringen Sie Frau Schaljapin einen Kräutertee.“ Dann ging er zur Turmtür und öffnete sie zögernd. Er schien seinen ganzen Mut zusammenzunehmen.

Gollwitz schätzte Bernd Seibold wegen seiner unkomplizierten Art und seiner freundlichen Ausstrahlung. Er war ein mittelgroßer Mann Ende Fünfzig und stets voller Elan. Er verstand es,  erfrischend und ungezwungen mit seinen Gästen zu plaudern. Zusammen mit seiner Frau, der Köchin, bewirtschaftete er schon seit Jahren den Bismarckturm samt Restaurant und die angrenzenden Gästehäuser. Gollwitz hielt ihn für einen tüchtigen und erfolgreichen Geschäftsmann.
Er schloss das Fenster. Heute wollte er ausnahmsweise im Restaurant frühstücken. Bald wird die Polizei eintreffen, dachte er, während er die Zimmertür verschloss und über die Terrasse ins Restaurant ging.
Herr Seibold kam in diesem Moment die Turmtreppe herunter. Er war blass. „Nicht zu fassen“, murmelte er, „der Gast ist tot. Gut, dass du die Polizei verständigt hast“, sagte er, zu seiner Frau gewandt. „Geht an eure Arbeit“, befahl er den anderen, „ich werde auf die Polizei warten.“
Gollwitz war der einzige Gast im Frühstücksraum. Er hatte sich an einen der Fenstertische gesetzt, von dem aus er die Terrasse beobachten konnte.
Yvonne, die Jungkellnerin, war überrascht, als er im Restaurant erschien. Meist verzichtete er auf das Frühstück und ließ sich nur eine Kanne Kaffe bringen, die sie auf dem Sims vor seinem Apartment abstellen musste.
Sie begrüßte ihn kurz und stellte die Kanne Kaffee auf den Tisch. Ihr Gesicht war kreidebleich; sie schien Angst zu haben. „Kannten Sie ihn …?“, fragte er. Sie nickte.

Im Visier der Mächte

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Frank Lindenbach, ein junger Journalist in Hamburg, lernt die Tochter des sowjetischen Botschafters kennen und gerät ins Interessenfeld der östlichen Geheimdienste. Er wird gedrängt, den Verlag und seinen Verleger auszuspionieren.

Der Roman schildert das Leben in der Bundesrepublik und in den Staaten des Ostblocks in den Jahren des Kalten Krieges und  den verzweifelten Kampf zweier junger Menschen um ihre Zukunft.

Eine Geschichte voller Spannung und Leidenschaft, mit dramatischen Schilderungen und stimmungsvollen Beschreibungen.

Der Roman ist im November 2010 im Projekte-Verlag Cornelius GmbH  Halle unter der ISBN 978-3-86237-248-5 erschienen, umfasst 267 Seiten und kostet im Paperback-Format 14,90 €.

„Im Visier der Mächte“ ist insofern Band 1 der Frank/Tonja – Geschichte. Leser, die „Das Geheimnis der kyrillischen Buchstaben“  kennen, erfahren jetzt alles über die beiden jungen Menschen, die in Zeiten des Kalten Krieges ihr Glück suchten.

Das Geheimnis der kyrillischen Buchstaben

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Jahre später:

Frank Lindenbach hat sein aktives Journalistenleben abgeschlossen und darf zu seiner großen Verwunderung an einer Flusskreuzfahrt von Moskau nach Sankt Petersburg teilnehmen, die –  was er erst unterwegs feststellt – vom russischen Geheimdienst inszeniert ist.

Die Dolmetscherin Aksinja ähnelt täuschend seiner einstigen Jugendliebe. Gemeinsam überstehen sie unerwartete Gefahren.  Auf einer geheimnisvollen Klosterinsel im Ladogasee sieht er Tonja wieder.

Eine Geschichte voller Spannung und Leidenschaft, mit reizvollen Landschaftsschilderungen und spektakulären Szenen.

Auch diesen Roman hat der Projekte-Verlag Cornelius GmbH (Telefon 0345 6865665) unter der ISBN 978-3-86634-622-2 verlegt.

Er hat einen Umfang von 320 Seiten und kostet als Paperback 19,80 €.